Aus dem Leben eines „Grenzgängers“

Ich lebe in Deutschland und arbeite in der Schweiz – dies nennt man im „Fachjargon“ Grenzgänger. Aber auch im beruflichen Umfeld gehe ich thematisch gerne über Grenzen – dies betrifft vorrangig die (medien)didaktische/pädagogische und die technische Welt. Im Hochschulalltag wird hier öfters eine übersetzende und vermittelnde Person benötigt, die das technisch Mögliche mit dem didaktisch Sinnvollen verbindet.

Wie alles begann

Hätte man mich nach meinem Abitur gefragt, wo ich 25 Jahre später mal arbeiten werde, wäre mir sicher nicht meine heutige Stelle in den Sinn gekommen. Damals war meine berufliche Zukunft völlig offen. Nach Abschluss meiner Schullaufbahn waren die anschliessenden 15 Monate aufgrund meiner Anerkennung als Zivildienstleistender „gesichert“, so dass ich alles Weitere entspannt auf mich zukommen lassen konnte. Meinen Zivildienst leistete ich in einem Wohnheim für Menschen mit einer Behinderung. Neben vielen interessanten und spannenden Erfahrungen lernte ich dort den vielseitigen Beruf des Heilerziehungspflegers kennen.

Ausbildung

Als Heilerziehungspfleger unterstützt, berät, begleitet und pflegt man psychisch, physisch und kognitiv beeinträchtigte Menschen. Da mir die Arbeit im heilpädagogischen Bereich sehr viel Spass bereitet und ich besondere Herausforderungen liebe, entschloss ich mich, den Beruf des Heilerziehungspflegers im Anschluss an den Zivildienst zu erlernen.

Studium

Nach drei Jahren Ausbildung und einem weiteren Jahr als Vollzeitkraft wollte ich meinen beruflichen Horizont erweitern. Ich entschied mich zu einem Studium der Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg (Breisgau) mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Kommunikationswissenschaft. Ergänzend zum Studium arbeitete ich weiterhin mit 50 Stellenprozenten in einer heilpädagogischen Einrichtung.
Nach Beendigung des Grundstudiums wurde von uns Diplomstudierenden eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Themenfeld der Kommunikationswissenschaft erwartet. Ich wendete mich den damals noch als Fern- bzw. Telelernen bezeichneten Bereich zu, ohne zu ahnen, dass dies weitreichende Auswirkungen auf meine spätere Berufslaufbahn haben würde. Die Besonderheiten und Eigenschaften eines Fernstudiums faszinierten mich, besonders im Zusammenhang mit den zu dieser Zeit aufkeimenden telemedialen Möglichkeiten.

Blended Learning

Praktische Erfahrungen konnte ich kurze Zeit später im Rahmen eines Praktikums an der tele-akademie der Hochschule Furtwangen sammeln. Die tele-akademie wurde 1995 von Prof. Dr. Michael Kerres gegründet. Ihr Ziel war es, Weiterbildungsangebote zu konzipieren, die auch überregional genutzt werden konnten. Um die räumliche Flexibilität zu realisieren, kamen zwei innovative Lerntechnologien zum Einsatz: Internet und Videokonferenzen. Hierzu ergänzend waren Präsenzveranstaltungen eingeplant. Dieses Setting wurde unter dem Begriff hybrides Lernarrangement zusammengefasst – heute spricht man im gleichen Kontext von Blended Learning Szenarien. Der Zufall wollte es, dass ich während meines Praktikums bei der Entwicklung und Umsetzung eines neuen Online-Kurses mitarbeiten konnte. Die Herausforderung, pädagogische, didaktische und technische Aspekte miteinander zu verbinden, begeisterten mich zusehends. Mein Wunsch, im Anschluss des Studiums im Bereich E-Learning zu arbeiten, manifestierte sich.

Empirie

Aus diesem Grund siedelte ich meine Abschlussarbeit in diesem Themengebiet an. Ich untersuchte bei den Absolvent/-innen der tele-akademie die Langzeiteffekte von E-Learning-Angeboten hinsichtlich der Kompetenzentwicklung und beruflichen Verwertbarkeit. Es war spannend festzustellen, dass die Teilnehmenden besonders die Flexibilität in der Gestaltung der individuellen Lernprozesse schätzten, die im Einsatz von digitalen und telemedialen Medien begründet lag. Als wichtiger Baustein für den persönlichen Lernerfolg wurde immer wieder die tutorielle Begleitung in den Online-Phasen genannt – deren Erfolg setzte aber auch eine hohe webbasierte Kommunikationsbereitschaft und Online-Präsenz aller Beteiligten voraus. Die Präsenzveranstaltungen waren hierzu ergänzend wertvolle Situationen, um andere Kursteilnehmende näher kennenzulernen bzw. sich mit ihnen auszutauschen.

Schweiz

Nach dem erfolgreichen Abschluss meines Studiums führte mich mein beruflicher Weg 2006 in die Schweiz an die Pädagogische Hochschule Thurgau (PHTG). Ich arbeitete dort in einem von der Internationalen Bodenseehochschule (IBH) finanzierten Projekt. Die IBH ist ein Netzwerk von insgesamt 25 Hochschulen in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Liechtenstein. Meine Aufgabe war die Konzeption und Durchführung eines mediendidaktischen Trainings (MDT) für Dozierende aller Mitgliedshochschulen. Das MDT ist als Blended Learning Angebot konzipiert, welches sich aus zwei Präsenzterminen (Kick-Off und Abschlussveranstaltung) und einer dazwischen liegenden Online-Phase zusammensetzt. Die Teilnehmenden wendeten sich in der Weiterbildung verschiedenen Konzepten und Methoden digitalen Lehrens und Lernens zu und erprobten ausgewählte Ansätze direkt in ihren Lehrveranstaltungen.

Didaktische Beratung

Ab 2008 bildete mein Schwerpunkt die didaktische Beratung von Dozierenden hinsichtlich des Einsatzes digitaler Medien in der Lehre, meist in Verbindung mit der Lernplattform ILIAS. Spannend war zu dieser Zeit, dass sich aufgrund der technologischen Weiterentwicklungen aber auch durch das Wachstum der PHTG neue Anforderungen und Erwartungen an das digitale Lehren und Lernen ergaben. Basierend auf den steigenden Studierendenzahlen und eines eher knappen Raumangebotes wurde der Wunsch nach Online-Prüfungen geäussert. Mit Hilfe der Lernplattform ILIAS und den uns zur Verfügung stehenden Leihlaptops konnte ein entsprechendes Szenario konzipiert und mehrfach umgesetzt werden.

E-Portfolio – Lernendenorientierung

Überdies sammelte ich an der PHTG erste Erfahrungen in der Arbeit mit E-Portfolios. Der Studiengang Sekundarstufe I wollte das klassische Papier-Portfolio durch die Einführung einer E-Portfolio Umgebung mittels Mahara ablösen. Die Arbeit mit Mahara war für mich sehr interessant und aufschlussreich, da dieses System eine vollkommen andere Arbeits- und Denkweise der Studierenden und Dozierenden erfordert. Auf einer Lernplattform stellen in den meisten Fällen Lehrende Materialien zur Verfügung, wenngleich ein LMS viel mehr Optionen bietet! Lernende müssen Dokumente herunterladen, Tests absolvieren oder Leistungsnachweise einreichen. Die E-Portfoliosoftware Mahara geht dagegen von einer stärkeren Lernendenorientierung aus. Die Studierenden können das System z.B. für das persönliche Wissensmanagement nutzen und sich eine individuelle Lernumgebung gestalten. Sie entscheiden selbst, wem sie welche Inhalte wann zugänglich machen möchten. Individuelle Lernprozesse und Kompetenzen können auf einfache Weise dokumentiert, reflektiert und letztlich präsentiert werden.

Lernmedien und Plagiatsprävention

2014 wechselte ich als Dozent für Medienbildung an die Pädagogische Hochschule Zürich. Ich verantwortete dort primär die Bereiche Lernmedien und Plagiatsprävention. Die Gestaltung und Umsetzung eines hochschulweiten Konzeptes, welches den Einsatz der Plagiatssoftware Turnitin nicht allein zu Detektionszwecken verfolgte, war für mich eine spannende Aufgabe. So wurden neben der flächendeckenden Überprüfung aller Abschlussarbeiten freiwillige Selbsttests mit der Plagiatssoftware für die Studierenden eingeführt, die sie vor der finalen Abgabe ihrer Arbeiten durchführen konnten. Anhand des Auswertungsberichts konnten bei Bedarf entsprechende Unterstützungs- und Beratungsangebote in Anspruch genommen werden.

Fachstelle Digitales Lehren und Lernen in der Hochschule

Seit März 2017 bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachstelle für Digitales Lehren und Lernen in der Hochschule tätig und ergänze mit meinen oben beschriebenen Qualifikationen und Kompetenzen das Team. Mein inhaltlicher Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich E-Portfolio – an der FHNW als SWITCHportfolio bekannt. Der Aufbau und die Umsetzung von entsprechenden Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Interessierte aller Standorte ist mir ein Anliegen. Ich freue mich schon jetzt auf zahlreiche Anmeldungen und interessierte Anfragen.

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