Gastbeitrag von Natalie Berger Kofmehl, Koordinatorin Diversity FHNW
Im Rahmen der Strategischen Initiative „Diversity-Inclusion-Cooperation„ wuchs die Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationseinheiten der FHNW. Ich freue mich sehr, dass Frau Natalie Berger Kofmel, Koordinatorin Diversity FHNW, auf unserem Blog mit einem Gastbeitrag zum Thema „Hindernisfreie Hochschule“ vertreten ist.
Ein Student im Rollstuhl kommt vielleicht nicht in ein Gebäude hinein. Eine Dozentin wird im Unterricht mit einem Studenten konfrontiert, der ihre PowerPointPräsentation nicht sehen kann. Eine Studienberaterin fragt sich, wann ein Nachteilsausgleich bei Prüfungen gewährt werden muss. Und ein Personalverantwortlicher überlegt sich, wie er damit umgehen soll, dass eine Bewerberin eine offensichtliche Behinderung hat. Das Thema Behinderung beschäftigt uns an der FHNW im Hochschulalltag.
In ihrer Diversity Politik anerkennt die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW die Vielfalt ihrer Mitarbeitenden und Studierenden und betrachtet diese als Potenzial und Ressource.
Dies bedeutet insbesondere, dass niemand aufgrund einer vorhandenen körperlichen oder psychischen Behinderung diskriminiert wird. Und doch stecken wir wohl – wie die meisten Hochschulen in der Schweiz – beim Thema noch in den Kinderschuhen. Zu diesem Schluss kam jedenfalls eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW (2010), welche von AGILE Behinderten-Selbsthilfe Schweiz in Auftrag gegeben wurde.
Informationsplattformen online
„Koordiniertes Handeln auf verschiedenen Ebenen ist nötig, damit die Schweizer Hochschulen für Menschen mit Behinderung zugänglich werden.“ schreibt AGILE nun in der Medienmitteilung zur Lancierung ihrer neuen zweisprachigen Informationsplattform Hindernisfreie-hochschule.ch. Diese soll eine bessere Vernetzung und Information in Gang bringen. Die Website gibt ganz konkrete Tipps zum Beseitigen von Barrieren an Hochschulen und zeigt gelungene Beispiele. „Kluge Köpfe sollen die Chance haben, an der Hochschule zu studieren. Körperliche oder psychische Beeinträchtigungen sowie chronische Krankheiten dürfen kein Hemmnis sein.“ Die Website bietet den Überblick über das nötige Fachwissen für verschiedenste Zielgruppen im Umfeld der Hochschulen wie Politik, Bau, Hochschulleitung, Lehre und IT. Für Menschen mit Behinderung, die sich für ein Hochschulstudium interessieren, steht das Portal Uniability.ch bereit.
Aktivitäten an Hochschulen
Wie die FHNW eine hindernisfreie Hochschule werden kann, ist u.a. ein ein Thema des Aktionsplan Chancengleichheit FHNW 2013-16. Geplant ist insbesondere eine Leitdokumentation der FHNW zu den verschiedenen Dimensionen von Diversity. Im Dezember 2012 hat die FHNW „Die Charta“ unterzeichnet und bekennt sich damit zur Integration von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt. An den Sitzungen der Diversity- und Gleichstellungsbeauftragten sowie der HR-Verantwortlichen der Hochschulen FHNW wird über Strategien zur Verwirklichung von Barrierefreiheit diskutiert. Die Pädagogische Hochschule FHNW hat eine Vorstudie zur Barrierefreiheit durchgeführt und ist an der Ausarbeitung von konkreten Massnahmen. Die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW organisierte bereits im Mai 2012 einen Workshop zum Thema „Studieren mit Behinderung“, der bei den Teilnehmenden auf sehr gutes Echo gestossen ist. Es scheint einen Bedarf an Austausch und Informationen in diesem Bereich zu geben. Dieser Ansicht sind auch andere Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen in der Schweiz, die sich in einem bis jetzt losen Netzwerk regelmässig zum Austausch über Studium und Behinderung treffen. Im Diversity-Forum für Mitarbeitende besteht die Möglichkeit zum Austausch über Fragen zur hindernisfreien Hochschule, aber auch zu anderen Anliegen rund um Chancengleichheit und Vielfalt an der FHNW.
Selbstevaluation und Austausch
Bei der barrierenfreien Gestaltung der Lehre spielt die Unterstützung durch digitale Technologien eine grosse Rolle. So sind insbesondere sehbehinderte Personen dank entsprechender Software problemlos in der Lage, entsprechend aufbereitete Unterlagen zu lesen. Die ZHAW bietet unter Accessible Education Beratung und Dienstleistungen für Schweizer Hochschulen an, um Studierenden ein barrierefreies Studium zu ermöglichen. Sie hat zudem einen praxisorientierten Leitfaden „Hindernisfreie Hochschule“ publiziert, der den Hochschulen ein konkretes Instrument zur Selbstevaluation in die Hand gibt. Am 17. Oktober 2013 findet in Basel eine nationale Tagung über „Studieren ohne Barrieren“ statt, zu der die breite Hochschulöffentlichkeit eingeladen wird. Konzipiert und organisiert wird diese Veranstaltung von der FHNW und der Universität Basel in Zusammenarbeit mit dem Eidg. Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und der Kantonalen Fachstelle für die Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung Kanton Basel-Stadt.
Hürden im Kopf
Um Hürden an den Hochschulen zu beseitigen, ist „beherztes Handeln auf verschiedenen Ebenen gefragt“, so AGILE. Tatsächlich entstehen Behinderungen meist eher in den Köpfen von nicht-offensichtlich Behinderten als bei den betroffenen Personen resp. ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten. Zur Verwirklichung des Zugangs zur Bildung für alle ist es aus meiner Sicht zentral, dass sich die Hochschulen grundsätzlich öffnen, dies auch nach aussen kommunizieren und im Einzelfall flexibel und lösungsorientiert vorgehen. Als Diversity-Koordinatorin der FHNW bin ich überzeugt, dass wir mit den hier skizzierten Projekten, Konzepten und Unterstützungsangeboten in Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen und v.a. gemeinsam mit den Betroffenen gut auf Kurs sind auf dem Weg zur hindernisfreien Hochschule. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, so können Sie mich gerne per Mail kontaktieren, sich im Diversity-Forum per Mail anmelden oder hier einen Kommentar posten.
Flyer / Bestellhinweis:
Hindernisfreie Hochschule – Ein Leitfaden zur Selbstevaluation, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW (2012)